Was ist eigentlich Co-Abhängigkeit?

 

Was ist eigentlich Co-Abhängigkeit?

Es gibt so viele Bücher, Talks und Papers über Co-Abhängigkeit, dass man leicht den Überblick verlieren kann, zumal es keine allgemeingültige Definition dazu gibt.
Wahrscheinlich ist allgemein bekannt, dass Co-Abhängigkeit irgendwie in Familien und Beziehungen vorkommt, in denen ein Mitglied suchtkrank ist.


Sehr häufig wird in den Medien Folgendes als Haupt-Merkmal für Co-Abhängigkeit angeführt:

Co-Abhängige fühlen sich nur stark, wenn der Abhängige schwach ist und bleibt. Sie ziehen ihr Selbstwertgefühl daraus, dass sie jemand schwächeren, den süchtigen Partner, Elternteil oder Kind pflegen, aufwerten, und wieder und wieder vor dem Abgrund bewahren.
Der Co-Abhängige ist also in dieser Definition abhängig von der Schwäche des Süchtigen.

Ich teile diese Meinung nicht.

Wir Menschen sind süchtig nach dem Bekannten, Familiären.
Das betrifft uns alle, nicht nur in suchtkranken Beziehungen.
Wir verlieben uns in Menschen, die sich so verhalten, wie wir „Liebe“ in der Kindheit gelernt haben, in den ersten Jahren unseres Lebens.
Deshalb beginnt Liebe oftmals überschwänglich, und wird dann langsam düsterer, aber das is nur eine von vielen möglichen Erscheinungsformen.

Manche Menschen sind nach der Prägung in ihrer Kindheit süchtig danach, schlecht behandelt zu werden. Kinder von Alkoholikern werden korrellierend als Erwachsene auch eher Beziehungen mit süchtigen Partnern eingehen.

Dazu prägt unsere Kultur, dass es normal ist, wenn es in der Liebe wehtut. Und erst wenn es wehtut, ist es wirklich Liebe. Diese Interpretation ist extrem destruktiv, und bei der flächendeckenden Verbreitung von Alkoholismus recht einfach einzusehen, dass das alle Generationen und die gesamte Gesellschaft betrifft.

Unglaublich viele Songtexte und Literatur beschreiben genau diese Obsessivität als Verliebtheit, oder gar Liebe: „Ohne dich bin ich nichts, I´m a creep“, ich bring mich oder dich um, wenn ich dich nicht haben kann, du bist mein alles, ohne dich bin ich nichts.
Das ist unsere Dauerbeschallung – Werther, Ophelia, Gretchen, Every Breath you take, usw usf.

Also – das was wir kennen, danach werden wir süchtig. Co-Abhängigkeit wird uns schon seit klein auf vorgelebt, wenn wir die Schotten etwas öffnen und die Co-Abhängigkeit als ein Phänomen sehen, das nicht nur in einer Partnerschaft zweier Erwachsener gedeiht. Wenn das, wonach wir dürsten und was wir für Liebe halten, uns dazu bringt, Dinge zu tun, die wir eigentlich nicht tun würden; allem voran zu lügen.
Lüge, Vertuschung, Verleugnung sind be Co-Abhängigkeit IMMER dabei, sich an der Schwäche eines Nahestehenden Menschen aufzuwerten nur manchmal.

Eine co-abhängige Person kann nach vielen Dingen süchtig sein, die eben nicht die Schwachheit des suchtkranken Angehörigen ist, wie zum Beispiel

nach Harmonie,
nach „Liebe“, sei sie auch noch so fragwürdig,
nach dem Aufrechterhalten der eigenen Illusionen,
nach dem Erfolg, es doch mit dem Partner geschafft zu haben,
nach Anerkennung des Partners oder der Umwelt,
nach dem Gefühl, wenn alle dagegen sind, dennoch zu seiner Beziehung zu stehen,
nach der Erfüllung der eigenen Zukunftspläne,
nach Sex,
nach den gemeinsamen schönen Zeiten,
usw. usf….

Ich denke, die Liste kann unendlich fortgeführt werden. Selbst, wenn der Partner – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr ist, können diese Mechanismen erneut zuschnappen und die nächste Beziehung verläuft ähnlich.
Am nicht Hinsehen wollen, seine Grenzen immer niedriger setzen , an fortgesetzter Selbsttäuschung und an den Lügen können wir Co-Abhängigkeit erkennen.

Die kürzeste Beschreibung ist:
Süchtiges und co-abhängiges Verhalten ist alles das,
wofür du versucht bist zu lügen.